Vorweggenommene Erbfolge

Der entscheidende Fehler: Nießbrauch und Übernahme von Verbindlichkeiten

Wird im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge eine mit Verbindlichkeiten belastete Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, stellt sich die Frage, ob die Verbindlichkeiten mit übernommen werden sollen und worauf zu achten ist, wenn die Verbindlichkeiten entweder nicht übernommen oder doch übernommen werden sollen. Dabei ist auch an den Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten zu denken. |

1. Keine Übernahme der Verbindlichkeiten

Die Immobilie soll unter Nießbrauchsvorbehalt, aber ohne eine Übernahme der Verbindlichkeit übertragen werden. Grund für diese Gestaltung ist oftmals der Gedanke, dass nur der Nießbraucher Zins und Tilgung der Verbindlichkeiten aus den Erträgen der Immobilie tragen kann.

  • Beispiel
    Mit notariellem Vertrag überträgt die Mutter ihrer Tochter ein vollständig zu Wohnzwecken vermietetes Mietwohngrundstück. Als Gegenleistung behielt sie sich auf Lebensdauer an dem Mietwohngrundstück den Nießbrauch vor. Danach war sie berechtigt und verpflichtet, sämtliche Nutzungen aus dem Vertragsgegenstand zu ziehen und sämtliche privaten und öffentlichen Lasten einschließlich außerordentlicher öffentlicher Lasten sowie die dem Eigentümer obliegenden privaten Lasten zu tragen. In dem Vertrag heißt es weiter: „Der Erwerber übernimmt die in Abt. II des Grundbuchs eingetragenen Lasten und Beschränkungen sowie die in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen Grundpfandrechte, diese jedoch ohne die zugrunde liegenden persönlichen Schuldverpflichtungen, die durch die Grundpfandrechte gesichert werden; die Schuldverpflichtungen verbleiben bei dem Übergeber.” Eine persönliche Übernahme der Schulden durch die Tochter erfolgt nicht, da die Zins- und Tilgungsleistungen weiterhin von der Mutter erbracht werden sollen. In einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament hat die Mutter ihren Ehemann und Vater der Tochter zu ihrem Alleinerben bestimmt.

1.1 Behandlung der Verbindlichkeiten im Erbschaftsteuerrecht

Werden bei der Zuwendung eines Grundstücks vom Erwerber Grundpfandrechte übernommen, die der Sicherung von Darlehen dienen, die er aber bei der Zuwendung nicht persönlich übernommen hat, hängt die Behandlung der Schuld von den vertraglichen Regelungen bzw. der weiteren Entwicklung ab (siehe H 7.4 Abs. 1 ErbStH 2011 „Bestehen bleibende Grundpfandrechte bei Zuwendung eines Grundstücks“).

  • Haben der Zuwendende und der Erwerber hinsichtlich der Übernahme der persönlichen Schuld keine Vereinbarung getroffen, wird der Erwerber aber beim Tod des Zuwendenden dessen Erbe, geht die Schuld nach § 1922 BGB auf ihn aufgrund seiner Erbenstellung über. Es handelt sich nicht um eine bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigende Last. Die Schuld ist vielmehr bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit in voller Höhe abzuziehen. Eine Abzinsung der Verbindlichkeit auf den Zeitpunkt der Schenkung erfolgt nicht, da die Verbindlichkeit von Todes wegen übergeht.
  • Wird allerdings eine andere Person Erbe, kann der Erwerber der Immobilie weder als Beschenkter noch im Zeitpunkt des Todes eine Verbindlichkeit abziehen.
  • Kommt der Zuwendende seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nach und macht der Gläubiger der Grundpfandrechte den dinglichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Grundstück geltend (§§ 1142, 1150 BGB), handelt es sich unabhängig von der Ausgestaltung des Vertrags zwischen Zuwendenden und Erwerber um eine nachträglich bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigende Last.

Das FG Münster (18.5.11, 3 K 1003/08 Erb, EFG 11, 1639) hatte die im Beispiel wiedergegebene Formulierung im Zeitpunkt des Todes wie folgt beurteilt: „Wenn der Grundstückseigentümer den Nießbraucher beerbt, wird der Grundstückseigentümer als Erbe durch Universalsukzession unmittelbarer Vertragspartner der Gläubiger des Erblassers und haftet gemäß § 1967 Abs. 1 BGB, § 1922 BGB erbrechtlich für die Erfüllung des schuldrechtlichen Vertrags als Nachlassverbindlichkeit, wenn er nicht die persönlichen Schuldverpflichtungen, die durch die Grundpfandrechte gesichert werden, vertraglich übernommen hat. Nach § 1047 BGB hat der Nießbraucher die privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden sowie die aufgrund einer Rentenschuld zu entrichtenden Leistungen. Nach § 1047 BGB wird daher die Zinslast dem Nießbraucher auch dann auferlegt, wenn er nicht Schuldner der auf dem übertragenen Vertragsgegenstand lastenden Verbindlichkeiten ist.“

Das bedeutet, dass grundsätzlich die Verbindlichkeiten beim Nießbraucher bleiben, wenn die Beteiligten nichts anderes vereinbart haben. Es hängt also von den Vereinbarungen der Vertragsparteien ab, ob die Verbindlichkeiten bei dem Übergeber belassen werden oder ob sie vom Erwerber übernommen werden. Bleiben die Verbindlichkeiten beim Übergeber, handelt es sich weiter um Schulden des Übergebers, die, wenn nichts anderes geregelt ist, beim Tod des Übergebers Nachlassverbindlichkeiten darstellen.

Eine andere vertragliche Vereinbarung haben die Tochter und die Mutter aber gerade nicht getroffen. Sie haben vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keine Schuldübernahme wollen, auch nicht eine aufschiebend bedingte. Denn sie haben in den Vertrag wörtlich aufgenommen, dass die persönlichen Schuldverpflichtungen, die durch die Grundpfandrechte gesichert werden, beim Übergeber verbleiben.

1.2 Behandlung der Verbindlichkeiten im Einkommensteuerrecht

Wenn eine andere Person Erbe der Verbindlichkeit wird, ist ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten ab dem Zeitpunkt des Erbfalls ausgeschlossen, da der Erbe keine Einnahmen aus der ihm nicht gehörenden Immobilie erzielt. Diese Rechtsfolge könnte nur noch durch eine den Schuldzinsenabzug der Tochter sichernde rechtzeitige Änderung des Testaments vermieden werden.

2. Abweichende Vereinbarung bezüglich der Verbindlichkeiten

Die Parteien können vereinbaren, dass die Übertragung der Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt und Übernahme der Verbindlichkeit erfolgen soll.

  • Abwandlung zum Beispiel
    Die Tochter verpflichtet sich zudem, „die der Sicherung von Darlehen für das Mietwohngrundstück dienenden Verbindlichkeiten in dinglicher und persönlicher Hinsicht zu übernehmen“, wobei zur Klarstellung vermerkt wurde, „dass durch die zuvor angeführten Schuldübernahmen die Verpflichtung des jeweiligen Nießbrauchers, während der Zeitdauer des Nießbrauchsrechts im Innenverhältnis die Tilgungs- und Zinsleistungen für die übernommenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, nicht berührt wird.

2.1 Behandlung der Verbindlichkeiten im Erbschaftsteuerrecht

Die zu den Verbindlichkeiten getroffene Vereinbarung ändert die schenkungsteuerliche Beurteilung erheblich (siehe H 7.4 Abs. 1 ErbStH 2011 „Bestehen bleibende Grundpfandrechte bei Zuwendung eines Grundstücks“).

  • Haben der Zuwendende und der Erwerber im Übertragungsvertrag vereinbart, dass der Erwerber die Schuld beim Tod des Zuwendenden übernimmt, handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Last. Sie ist bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers nicht zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 1 BewG). Eine zu berücksichtigende Last des Erwerbers tritt erst mit dem Tod des Zuwendenden ein.
  • Kommt der Zuwendende seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nach und macht der Gläubiger der Grundpfandrechte den dinglichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Grundstück geltend (§§ 1142, 1150 BGB), handelt es sich unabhängig von der Ausgestaltung des Vertrags zwischen Zuwendendem und Erwerber um eine nachträglich bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigende Last.
  • Liegt eine nachträglich bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigende Last vor, ist dieser Umstand nach § 6 Abs. 2 BewG i.V. mit § 5 Abs. 2 BewG zu berücksichtigen. Der tatsächlich übernommene Schuldbetrag ist auf den Stichtag der Steuerentstehung abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.10 (BStBl I 10, 810) zu entnehmen.
  • Werden bei der Zuwendung eines Grundstücks vom Erwerber Grundpfandrechte übernommen, die der Sicherung von Darlehen dienen, zu deren Rückzahlung einschließlich der Zinsen der Zuwendende (im Innenverhältnis) allein verpflichtet bleibt, übernimmt der Erwerber ebenfalls eine aufschiebend bedingte Last. Sie ist bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers nicht zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 6 Abs. 1 BewG). Eine zu berücksichtigende Last des Erwerbers tritt erst ein, wenn
    • der Zuwendende seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nachkommt und der Gläubiger der Grundpfandrechte den dinglichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Grundstück geltend macht (§§ 1142, 1150 BGB) oder
    • beim Tod des Zuwendenden die Rückzahlung der verbleibenden Schuld den Erwerber trifft.

Dieser Umstand ist nach § 6 Abs. 2 BewG i.V. mit § 5 Abs. 2 BewG zu berücksichtigen. Der tatsächlich übernommene Schuldbetrag ist auf den Stichtag der Steuerentstehung abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.10 (BStBl I 10, 810) zu entnehmen. Entsprechendes gilt, wenn der Beschenkte für auf dem Grundstück abgesicherte Verbindlichkeiten zwar die persönliche Haftung übernimmt, der Schenker (und Vorbehaltsnießbraucher) sich aber verpflichtet, die Verbindlichkeit für die Dauer des Nießbrauchs weiter zu tilgen und zu verzinsen. Die Wertung der Finanzverwaltung beruht auf zwei Entscheidungen des BFH. Übernimmt der mit einem Grundstück unter Vorbehaltsnießbrauch Beschenkte auch die persönliche Haftung für die auf dem Grundstück abgesicherten Verbindlichkeiten, verpflichtet sich aber der Schenker und Vorbehaltsnießbraucher, diese Verbindlichkeiten für die Dauer des Nießbrauchs weiter zu tilgen und zu verzinsen, liegt keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor. Die (kumulative oder ausschließliche) Schuldübernahme durch den Beschenkten steht nach Auffassung des BFH (17.10.01, II R 60/99, BStBl II 02, 165; BFH 26.1.00, II B 88/99, BFH/NV 00, 954) unter einer aufschiebenden Bedingung/Befristung und ist daher gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 8 BewG, § 6 Abs. 1 BewG bis zum Eintritt des Ereignisses nicht zu berücksichtigen.

Praxistipp | Zu beachten ist für diesen Fall, dass die Verbindlichkeiten nur auf Antrag, der spätestens im Jahr nach dem Jahr des Eintritts der Bedingung gestellt werden muss, mit einem abgezinsten Wert von der Schenkung abgezogen werden können (§ 6 Abs. 2 BewG und § 5 Abs. 2 BewG).

2.2 Behandlung der Verbindlichkeiten im Einkommensteuerrecht

Die Schuldzinsen können ab Eintritt der Bedingung von der Tochter einkommensteuerlich als Werbungskosten abgezogen werden. Bis zu ihrem Tod konnte die Mutter die Schuldzinsen als Werbungskosten geltend machen.


IWW-Institut, Würzburg