Digitalisierung

Digitale Buchführung: 3 … 2 … 1 ... Los!

Die Digitalisierung der Rechnungswesenprozesse und dabei insbesondere die digitale Zusammenarbeit zwischen Steuerkanzlei und Mandant im Rahmen der Finanzbuchhaltung steht nun bereits mehrere Jahre auf der Agenda vieler Kanzleien. Neben DATEV Unternehmen online etablieren sich auch zunehmend andere Cloud-Lösungen zur Umsetzung einer digitalen Buchführung, wie etwa CANDIS oder DIGI-BEL am Markt. Und auch der nächste Schritt: Eine automatisierte Buchhaltung auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) klopft an der Tür.

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, konventionelle Kanzleiprozesse in die Digitalisierung zu transformieren, haben es bisher nur wenige Kanzleien geschafft, sich annähernd vollständig digital aufzustellen. Eine von der DATEV veröffentlichte Auswertung zeigt, dass von den circa 33.000 DATEV-Kanzleien knapp 55 % bisher noch gar keine und etwa 40 % zwischen 1 – 20 Mandanten in DATEV Unternehmen online bearbeiten. So sind es gerade einmal 10 % der Kanzleien, die ihre Mandanten vollständig digital mit DATEV Unternehmen online bucht (vgl. DATEV eG: Vortrag „Digitale Zukunft mit DATEV“ von Stefan Meisel, www.iww.de/s2799, abgerufen am 10.6.19). Hat eine Kanzlei heute rund 20 % ihrer Mandanten mit einer Cloud-Lösung digitalisiert, so hat sie dafür in der Regel ein paar Jahre gebraucht. Zu sperrig und schwer ist es, bis das Thema von selbst ins Rollen kommt. Dabei spielen zwei Faktoren eine tragende Rolle. Zum einen die Akzeptanz der Kanzleimitarbeiter und zum anderen die Digitalisierungsbereitschaft der Mandanten.

1. Mitarbeiter

Eine wichtige Erkenntnis sollte sein, dass jede technische Umstellung oder Adaption einem Veränderungsprozess unterliegt. Von der Entscheidung zur Umstellung auf die digitale Arbeitsweise bis zum Erreichen der kritischen Masse von etwa 20 % digitaler Buchhaltungsbestände durchlaufen die beteiligten Mitarbeiter in der Regel verschiedene Phasen. Warum das so ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Angenommen, ein Mitarbeiter erledigt 20 klassische Buchhaltungen im Monat. Diesen Prozess führt er seit Jahren quasi unverändert durch. Jetzt kommt die erste digitale Buchhaltung auf den Tisch. Er erledigt weiterhin 19 Fälle mit dem Pendelordner. In dieser Arbeitsweise ist er ein wahrer Experte und erledigt die Arbeit ohne große Anstrengung. Der eine digitale Fall wird ihm vermutlich lange ein Dorn im Auge sein. Verständlich, denn er muss in einem von 20 Fällen abweichen, umdenken und besonders aufmerksam sein. Kommen im Zeitverlauf aber mehr und mehr Fälle dazu, wird auch der neue Prozess zu einer Routine – er wird zunehmend gelebt. Die Studien des Autors belegen, dass diese Routine erst bei etwa 20 % der Fälle nach einem gewissen Zeitverlauf erreicht wird (vgl. www.digitalekanzlei.com).

2. Mandanten

Sollen Mandanten auf den digitalen Prozess umgestellt bzw. aktiv mit eingebunden werden, so ist dies maßgeblich von deren Digitalisierungsbereitschaft abhängig. Möglich Faktoren, die die Bereitschaft fördern, können unter anderem sein:

  • Zunehmend hoher Anteil der digitalen Rechnungseingänge (GoBD-konforme Archivierung)
  • Mittleres bis hohes Volumen der Rechnungsausgänge (ineffiziente Rechnungsschreibung und -ablage)
  • Mittleres bis hohes Volumen der „händischen“ Überweisungen

Die genannten Punkte lassen sich für den Mandanten in aller Regel mit den Cloud-Lösungen rechtssicher und effizienter abbilden. Wenn es aber nur darum geht, dass der Mandant „gezwungen“ für die Kanzlei Belege scannt, wird es immer schwer sein, Begeisterung für das Thema beim Mandanten zu erzeugen. Gibt es keinen Mehrwert, dann kommen auch schnell Diskussionen über das Honorar zustande.

3. Roadmap mit der ABC-Analyse

Wie eingangs erwähnt, ist der Weg vom Beginn bis zu den ersten 20 % digitaler Mandanten in der Regel ein sehr zäher. Solange keine volle Akzeptanz in der Kanzlei bzw. bei den Mitarbeitern vorliegt, wird auch die vertriebliche Ansprache des Themas beim Mandanten schwer sein. Um den Erfolgsfaktor Mitarbeiter zügig zu bestärken, erweist sich auch in der Praxis ein Ansatz, mit dem quasi umgekehrt relativ schnell Erfolge (= Kanzleiinnensicht) erzielt werden können, als hilfreich. Dazu sollten alle Mandanten einmal analysiert werden und in die Gruppen A, B und C anhand der Digitalisierungsbereitschaft eingeteilt werden.

Das Ergebnis wird plus minus darauf hinauslaufen, dass 15 – 20 % der Mandanten aufgrund deren Struktur und persönlichen Einstellung eine hohe Digitalisierungsbereitschaft aufweisen. Diese sind grundsätzlich leicht für das Thema zu gewinnen. Bei etwa 30 % der Mandanten sprechen gewisse Indikatoren für eine digitale Zusammenarbeit – für deren Überzeugung ist aber etwas mehr Nutzen und Handwerkszeug notwendig. 50 % der Mandanten werden sich Stand heute als entweder ungeeignet oder als mittelfristig noch nicht geeignet erweisen. Genau dieser Anteil kann aber für Kanzleien wertvoll sein, in der Innensicht zügig digitale Prozesse zu etablieren.

4. Reverse-Ansatz

Der Ansatz verfolgt die Idee, den überwiegenden Teil der C-Mandanten bei Eingang des Pendelordners in der Kanzlei selbst zu scannen und anschließend auch digital zu verbuchen. Warum ist das sinnvoll? Zum einen gewinnen die Mitarbeiter zunehmend an Routine der digitalen Buchungslogik, was später auch die vertriebliche Ansprache stärken wird. Zum anderen können durch diesen großen Anteil bereits erste Effizienzgewinne durch die Nutzung von Lerndateien realisiert werden. Dieses Verfahren lässt sich hoch effizient mit Scanner-Lösungen (z. B. scannerbox.®) umsetzen, die mittels QR-Code-Deckblättern Belege dem richtigen Mandanten und Belegkreis zuordnen können. So können zügig ganze Stapel bzw. Ordner verarbeitet werden. Freilich sollten in dieser Zeit auch nach und nach die A-Mandanten im klassischen Sinn umgestellt werden (Mandant übermittelt digitale Belege). So ist es möglich, in einem relativ überschaubaren Zeitabschnitt die ersten digitalen Erfolge zu feiern. Danach sollte die Kanzlei soweit fit und routiniert sein, um im Anschluss die B-Mandanten zu begeistern.

Fazit | Die Entscheidung, in der Kanzlei selbst digital zu arbeiten, ist nicht zwangsläufig von den Mandanten abhängig. Der Reverse-Ansatz kann dabei helfen, Veränderungen in der Kanzlei zügig zu durchleben und erste Erfolge zu feiern. Entscheidung: Digitalisierung beginnt jetzt!

IWW-Institut, Würzburg