Einkommensteuer

Keine Tarifbegünstigung bei Realteilung mit Verwertung in Nachfolgegesellschaft

Die tarifbegünstigte Besteuerung eines durch eine echte Realteilung einer Sozietät ausgelösten Aufgabegewinns gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit aufgibt. Hieran fehlt es, wenn er den ihm im Rahmen der Realteilung zugewiesenen Mandantenstamm dergestalt verwertet, dass dieser geplant auf eine GbR, an der der Steuerpflichtige beteiligt ist, übergeht und er in einem zweiten Schritt gegen Abfindung aus dieser GbR ausscheidet (BFH 15.1.19, VIII R 24/15).

Sachverhalt
Kläger K war Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät mit mehreren Standorten, die im Jahr 2001 durch Realteilung aufgelöst wurde. Der mit dem gemeinen Wert angesetzte Mandantenstamm wurde auf Nachfolgegesellschaften übertragen, die die Partner der einzelnen Standorte gründeten. K wurde Gesellschafter einer solchen Nachfolgegesellschaft, schied dort aber einige Tage später gegen Zahlung einer Abfindung aus. K war der Ansicht, der aus der Auflösung der Sozietät resultierende Aufgabegewinn sei tarifbegünstigt nach § 18 Abs. 3 EStG, § 16 Abs. 4 EStG, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Die Tarifbegünstigung scheitere nicht an § 16 Abs. 2 S. 3 EStG, da keine Veräußerung an „sich selbst“ erfolgte. Das FA lehnte die Tarifbegünstigung ab. Das FG Köln (25.6.13, 12 K 2008/11) folgte dem FA und verwies auf § 16 Abs. 2 S. 3 EStG.

Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (Fortentwicklung des BFH-Urteils vom 21.8.18, VIII R 2/15). Der Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven in den Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens im Zuge einer echten Realteilung führt zu einem Aufgabegewinn gemäß § 18 Abs. 3 EStG, § 16 Abs. 3 S. 1 EStG, der den Realteilern über ihren Gewinnanteil zuzurechnen ist (BFH 16.12.15, IV R 8/12, BStBl II 17, 766). Die Tarifbegünstigung scheitert zwar hier mangels Veräußerungsvorgang weder nach § 16 Abs. 2 S. 3 EStG noch an § 16 Abs. 3 S. 5 EStG:

  • § 16 Abs. 2 S. 3 EStG ist nicht anwendbar, da die Sozietät aufgelöst und im Wege einer Naturalteilung des Gesellschaftsvermögens auseinandergesetzt wurde. Es fehlt an der Veräußerung einer betrieblichen Sachgesamtheit.
  • Auch ein als laufender Gewinn geltender Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 S. 5 EStG liegt nicht vor. Die bei einer echten Realteilung erfolgende Auflösung des Miteigentums zur gesamten Hand durch die Übereignung der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft an die einzelnen Gesellschafter ist keine Veräußerung (BFH 19.1.82, VIII R 21/77, BStBl II 82, 456). Dies gilt auch, wenn die Wirtschaftsgüter wie im Streitfall unmittelbar auf eine andere GbR, an der die Realteiler zum Teil beteiligt sind, übertragen werden.

Die Tarifbegünstigung scheitert aber an § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG. K hätte mit der Auflösung der Sozietät nicht nur alle auf ihn entfallenden stillen Reserven vollständig aufdecken, sondern auch die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner freiberuflichen Tätigkeit aufgeben müssen (BFH 5.2.14, X R 22/12, BStBl II 14, 388). Daran fehlt es, denn K hat im Zuge der Realteilung die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner freiberuflichen Tätigkeit erst auf die GbR übertragen und ist sodann aus der GbR gegen Zahlung einer Abfindung ausgeschieden. Die am Ende erfolgte Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit genügt wegen des geplanten zweistufigen Vorgehens nicht für die Gewährung der Tarifbegünstigung.

Relevanz für die Praxis
Mit Urteil vom 21.8.18 hat der BFH entschieden, dass die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis (§ 18 Abs. 3 EStG i.V. mit § 34 EStG) voraussetzt, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu müsse der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen (BFH 21.8.18, VIII R 2/15, BStBl II 19, 64).
Gemäß Beschluss des BFH vom 20.1.09 (VIII B 58/08, BFH/NV 09, 756) steht die teilweise Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit einer begünstigten Praxisveräußerung nur dann nicht entgegen, wenn dies nur in einem geringen Umfang geschieht. Ein geringer Umfang ist nur anzunehmen, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. Das gilt auch, wenn der Veräußerer einer freiberuflichen Praxis nach der Veräußerung frühere Mandanten auf Rechnung und im Namen des Erwerbers berät (BFH 18.5.94, I R 109/93, BStBl II 94, 925).

IWW-Institut, Würzburg