Umsatzsteuer

Miet- und Leasingverträge: Die Auswirkungen des neuen BMF-Schreibens für die Praxis

| Miet- und Leasinggestaltungen spielen bei der Unternehmensfinanzierung eine immer wichtigere Rolle. Damit ist auch die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen für den betroffenen Unternehmer von entscheidender Bedeutung. Indiziert durch die aktuelle Rechtsprechung des EuGH hat das BMF (18.3.20, III C 2 - S 7100/19/10008 :003) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Miet- und Leasingverträgen nun neue Grundsätze aufgestellt. |

1. Bisherige umsatzsteuerliche Behandlung

Umsatzsteuerrechtlich stellt sich hinsichtlich der Überlassung von Gegenständen im Rahmen von Leasingverträgen regelmäßig die Frage, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Denn diese Beurteilung hat Auswirkungen auf

  • den Zeitpunkt der Versteuerung (Lieferung: Steuerentstehung bei der Übergabe des Leasinggegenstands; sonstige Leistung: die Steuer entsteht ratierlich über die Laufzeit des Leasingvertrags),
  • die Ortsbestimmung und
  • die Steuerschuldnerschaft.

Nach bisheriger Verwaltungsauffassung war für die Differenzierung neben umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen die ertragsteuerliche Würdigung maßgebend. Nach A 3.5 Abs. 5 UStAE war die Übergabe des Leasing-Gegenstands durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer eine Lieferung, wenn der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt war, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen. Für diese Beurteilung wurde auf die ertragsteuerliche Zurechnung abgestellt.

Beachten Sie: Entscheidend war demnach nicht, ob eine Kaufoption zum Ende der Vertragslaufzeit zugesichert wurde, sondern vielmehr das Verhältnis des Kaufpreises zum Buchwert des Leasinggegenstands zum Ende der Vertragslaufzeit. Bei Mietverträgen mit Kaufoption war eine Lieferung nach A 3.5 Abs. 6 S. 1 UStAE erst anzunehmen, wenn übereinstimmende Willenserklärungen der beteiligten Parteien vorlagen.

2. Das EuGH-Urteil zum Leasing

Bereits in 2017 musste sich der EuGH (4.10.17, C-164/16) in der Rechtssache Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd. mit der Behandlung von Leasingverträgen beschäftigen. Hierbei ging es schwerpunktmäßig um die Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen bei Leasingverträgen mit Kaufoptionen.
Unter Berücksichtigung seiner bisherigen Rechtsprechung machte der EuGH zunächst deutlich, dass es sich grundsätzlich immer dann um einen Finanzierungsleasingvertrag handelt, wenn das Eigentum am Leasinggegenstand zum Ende der Vertragslaufzeit übertragen werden soll oder die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht.
Um von einer Lieferung ausgehen zu können, müssen nach der Urteilsbegründung des EuGH zudem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Der Vertrag beinhaltet eine Klausel zum Übergang des Eigentums am übergebenden Gegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer. Diese Voraussetzung sieht der EuGH als erfüllt an, wenn der Vertrag eine Kaufoption für den Leasinggegenstand vorsieht.
2. Daneben muss der Vertrag derart ausgestaltet sein, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird. Der Vertrag darf dem Leasingnehmer demnach keine echte wirtschaftliche Alternative in dem Sinne bieten, dass er zu dem Zeitpunkt, an dem er eine Wahl zu treffen hat, je nach Interessenlage den Gegenstand erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann.

Dies leitete der EuGH aus der in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL verwendeten Formulierung „Mietvertrag, der die Klausel enthält, dass das Eigentum unter normalen Umständen spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird“ ab. Die umsatzsteuerliche Beurteilung von Miet- und Leasingverträgen nach der bisherigen Verwaltungsauffassung steht damit nicht vollumfänglich im Einklang mit den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung.

3. BMF-Schreiben: Neue Grundsätze und Auswirkungen

Anfang Dezember 2019 kursierte bereits ein BMF-Schreiben im Entwurf, das die Änderung des A 3.5 Abs. 5 und Abs. 6 UStAE vorsah. Mit Datum vom 18.3.20 veröffentlichte das BMF nun das finale Schreiben. Nach neuer Verwaltungsauffassung gilt demnach Folgendes:
Bei der Überlassung von Gegenständen im Rahmen eines Leasing-Verfahrens ist die Übergabe des Leasinggegenstands nur dann als Lieferung zu beurteilen, wenn

  • der Vertrag ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an diesem Gegenstand durch den Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthält und
  • aus den – zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und objektiv zu beurteilenden – Vertragsbedingungen deutlich hervorgeht, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird.

Der Vertrag darf dem Leasingnehmer zum Zeitpunkt der Optionsausübung keine echte wirtschaftliche Alternative in dem Sinne bieten, dass er – je nach Interessenlage – den Gegenstand erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann. Dies kann nach der Verwaltungsauffassung z. B. dann der Fall sein, wenn nach dem Vertrag zum Optionszeitpunkt die Summe der vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstands einschließlich der Finanzierungskosten entspricht und der Leasingnehmer wegen der Ausübung der Option nicht zusätzlich eine erhebliche Summe entrichten muss.
Eine erhebliche Summe liegt vor, wenn der zusätzlich zu entrichtende Betrag 1 % des Verkehrswerts des Gegenstands im Zeitpunkt der Ausübung der Option übersteigt. Für die Überlassung eines Gegenstands außerhalb des Leasingverfahrens – z. B. bei Mietverträgen i. S. des § 535 BGB mit Recht zum Kauf – gelten diese Grundsätze sinngemäß.
Die Änderungen durch das Schreiben sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 18.3.20 abgeschlossene Leasing- und Mietverträge enthält das BMF-Schreiben allerdings eine Nichtbeanstandungsregelung. Danach wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die Beteiligten A 3.5 Abs. 5 und Abs. 6 UStAE übereinstimmend in der am 17.3.20 geltenden Fassung anwenden.

Praxistipp: Hinsichtlich der Beurteilung von Miet- und Leasingverträgen besteht durch die geänderte Verwaltungsauffassung nun kein Einklang mehr im Ertrags- und Umsatzsteuerrecht. Unternehmer sind daher jetzt mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Miet- und Leasingverträge daraufhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Lieferung oder aber einer sonstigen Leistung vorliegen. Die neuen Verwaltungsgrundsätze sorgen aber auch für Gestaltungspotenzial. So kann die Vertragsgestaltung die Annahme einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung und damit insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Ortsverlagerung in einen anderen Staat bewirken.

  • Beispiel
    Leasinggeber D mit Sitz in Dortmund (Deutschland) schließt mit Leasingnehmer V aus Venlo (Niederlande) einen Leasingvertrag über einen Pkw mit einer Laufzeit von 24 Monaten. D transportiert den Pkw von Dortmund nach Venlo. Sowohl D als auch V sind Unternehmer. V nutzt den Pkw für Zwecke seines Unternehmens.

    Variante 1:
     Der Vertrag räumt Leasingnehmer V die Möglichkeit ein, nach Ablauf des Leasingzeitraums das Leasing zu verlängern oder den Pkw zu erwerben.
    Ohne eine explizite Klausel, nach der das Eigentum von D auf V übergeht, handelt es sich nach dem BMF-Schreiben vom 18.3.20 um eine sonstige Leistung. Nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG befindet sich der Ort der Leistung in Venlo, wo der Leistungsempfänger V seinen Unternehmenssitz unterhält.

    Variante 2: Der Vertrag enthält eine Klausel, die nach Ablauf des 24-monatigen Leasingzeitraums automatisch den Eigentumsübergang auf V bewirkt.
    Durch die explizite Regelung zum Eigentumsübergang nach Ablauf der Vertragslaufzeit handelt es sich im Zeitpunkt der Übergabe des Pkw um eine Lieferung. Da die Beförderung in Dortmund beginnt, gilt die Lieferung als in Dortmund ausgeführt (§ 3 Abs. 6 S. 1 und S. 2 UStG).

IWW-Institut, Würzburg (25.06.2020)