Umsatzsteuer

Aktuelles zur Überlassung eines Pkw an Arbeitnehmer

| Das stets aktuelle Thema der Umsatzbesteuerung bei zu Privatfahrten überlassenen bzw. genutzten Fahrzeugen führt immer wieder zu Streitigkeiten mit dem FA. In einem aktuellen Urteil hat das FG Münster (9.1.20, 5 K 2420/19 U) für eine Organschafts-Konstellation eine günstige Besteuerung gewährt. Grund genug, die Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer aus umsatzsteuerlicher Sicht näher zu betrachten. |

1. Sichtweise der Finanzverwaltung

Bevor das aktuelle Urteil des FG Münster vorgestellt wird, erfolgt zunächst ein Überblick über die derzeitige Handhabung der Finanzverwaltung (vgl. insofern auch A 15.23 UStAE).

1.1 Verwendung für teilweise nichtunternehmerische Zwecke

Die unternehmensfremde (private) Nutzung eines dem Unternehmen vollständig zugeordneten Fahrzeugs ist unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Besteuerung zu unterwerfen. Als Bemessungsgrundlage sind dabei nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG die Ausgaben anzusetzen, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Sofern die Anschaffungskosten mindestens 500 EUR (Nettobetrag ohne Umsatzsteuer) betragen, sind sie gleichmäßig auf den für das Fahrzeug maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG zu verteilen.
Der Unternehmer hat dabei die Wahl zwischen folgenden Methoden:

  • 1 %-Regelung (sofern das Fahrzeug zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird)
  • Fahrtenbuch
  • Schätzung

Beachten Sie: Bei einer Schätzung kommen als geeignete Unterlagen insbesondere Aufzeichnungen für einen repräsentativen Zeitraum in Betracht, aus denen sich zumindest die unternehmerischen Fahrten mit Fahrtziel und gefahrenen Kilometern und die Gesamtkilometer ergeben. Liegen keine geeigneten Unterlagen für eine Schätzung vor, ist der private Nutzungsanteil mit mindestens 50 % zu schätzen.

  • Beispiel 1
    Rechtsanwalt R kauft zum 1.1.20 einen neuen Pkw (50.000 EUR zzgl. 9.500 EUR USt). Laut dem für das bisherige Fahrzeug geführten Fahrtenbuch beträgt die unternehmerische Nutzung 60 %. Der Bruttolistenpreis des Pkw beträgt 75.000 EUR. Die laufenden Unterhaltungskosten sind wie folgt entstanden: mit Vorsteuerabzug 12.000 EUR netto, ohne Vorsteuerabzug 1.000 EUR.

    Variante 1: Anwendung der 1 %-Regelung
    75.000 EUR × 1 % × 12 Monate = 9.000 EUR abzgl. 20 % (für nicht vorsteuerbelastete Kosten) = 7.200 EUR × 19 % USt = 1.368 EUR USt
    Variante 2: ordnungsgemäßes Fahrtenbuch; unternehmerischer Anteil 55 %
    Anschaffungskosten 50.000 EUR / 5 Jahre = 10.000 EUR + 12.000 EUR (vorsteuerbelastete Unterhaltungskosten) = 22.000 EUR × 45 % (Privatanteil) = 9.900 EUR × 19 % USt = 1.881 EUR USt
    Variante 3: Das Fahrtenbuch wird von der Finanzverwaltung wegen Mängeln verworfen. Anhand der Aufzeichnungen wird der unternehmerische Anteil auf 45 % geschätzt.
    Wie Variante 2; aber Privatanteil 55 % = 12.100 EUR × 19 % USt = 2.299 EUR USt

1.2 Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer (Dienst- und Firmenfahrzeuge)

Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Fahrzeug auch zu Privatzwecken (Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Familienheimfahrten), ist dies regelmäßig eine entgeltliche sonstige Leistung, wenn sie im Arbeitsvertrag geregelt ist oder auf mündlichen Abreden oder sonstigen Umständen des Arbeitsverhältnisses (z. B. der faktischen betrieblichen Übung) beruht. Das Fahrzeug wird dadurch regelmäßig ausschließlich unternehmerisch genutzt. Die aus den Anschaffungskosten und Unterhaltskosten anfallenden Vorsteuerbeträge können in voller Höhe abgezogen werden (vorsteuerunschädliche Ausgangsumsätze des Arbeitgebers vorausgesetzt).
Das gilt auch für die Überlassung von Fahrzeugen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, wenn sie umsatzsteuerrechtlich insoweit nicht als Unternehmer anzusehen sind.
Beachten Sie | Im Gegensatz zur deutschen Rechtsauffassung vertreten viele EU-Mitgliedstaaten die Ansicht, dass eine Fahrzeugüberlassung nicht als Vermietungsleistung bzw. auch nicht entgeltlich erfolgt, sondern als eine einer entgeltlichen Leistung gleichgestellte sonstige Leistung, wie im deutschen Recht durch § 3 Abs. 9a UStG für unentgeltliche Wertabgaben umgesetzt (vgl. StuB Nr. 8 vom 24.4.20, Beilage). Vor diesem Hintergrund hat das FG Saarland (18.3.19, 1 K 1208/16) den EuGH (Az. C-288/19) u. a. zu der Frage angerufen, welcher Leistungsort nach dem Unionsrecht für die Überlassung eines Dienstwagens maßgeblich ist.
Bei der entgeltlichen Fahrzeugüberlassung zu Privatzwecken des Personals liegt ein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 S. 2 UStG) vor. Die Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 2 S. 2 UStG der Wert der nicht durch den Barlohn abgegoltenen Arbeitsleistung. Das sind die Gesamtausgaben für die Überlassung des Fahrzeugs, welche auch die Ausgaben umfassen, bei denen ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist. Treffen die Parteien Aussagen zum Wert der Arbeitsleistungen, so ist dieser Wert anzusetzen, wenn er die Ausgaben für die Fahrzeugüberlassung übersteigt.
Auch hier kann der Arbeitgeber die 1 %-Regelung oder die Fahrtenbuchmethode wählen. Die lohnsteuerrechtlichen Werte sind als Bruttowerte anzusehen, aus denen die Umsatzsteuer herauszurechnen ist.

  • Beispiel 2
    Ein Arbeitnehmer nutzt einen Dienstwagen (Bruttolistenpreis 75.000 EUR) im gesamten Jahr für Privatfahrten und Fahrten zur 20 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte. Entstandene Ausgaben: anteilige Anschaffungskosten = 10.000 EUR; vorsteuerbelastete Unterhaltungskosten = 12.000 EUR; ohne Vorsteuerabzug bezogene Aufwendungen = 1.000 EUR.

    Variante 1: Anwendung der 1 %-Regelung
    75.000 EUR × 1 % × 12 Monate = 9.000 EUR
    75.000 EUR × 0,03 % × 20 km × 12 Monate = 5.400 EUR
    14.400 EUR (9.000 EUR + 5.400 EUR) / 1,19 × 19 % USt = 2.299,16 EUR
    Ein pauschaler Abschlag von 20 % für nicht mit Vorsteuern belastete Ausgaben ist hier unzulässig.
    Variante 2: Fahrtenbuch; Gesamtfahrleistung 25.000 km; davon 5.000 km Privatfahrten und 8.000 km Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte und zurück
    52 % Privatanteil (13.000 km ÷ 25.000 km × 100); Gesamtausgaben mit und ohne Vorsteuerabzug = 23.000 EUR × 52 % = 11.960 EUR × 19 % USt = 2.272,40 EUR

Beachten Sie: Anders als bei der Ermittlung der Entnahmebesteuerung bei teilweiser unternehmensfremder Nutzung müssen bei entgeltlicher Überlassung an einen Arbeitnehmer die Anschaffungskosten nicht auf den Berichtigungszeitraum des § 15a UStG, sondern anteilig auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (sechs Jahre bei Pkw) verteilt werden. Denn die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 10 Abs. 2 S. 2 UStG und nicht nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG.

Merke: Der BFH (5.6.14, XI R 2/12) hat die Pkw-Überlassung an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zur privaten Nutzung nicht ausnahmslos als tauschähnlichen Umsatz angesehen, sondern nur, wenn ein – im Einzelfall zu prüfender – Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Arbeitsleistung im Sinne eines Entgelts besteht. Erfolgt die Pkw-Nutzung aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses sind die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Wertabgabe gegeben. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn im Arbeitsvertrag nur die Gestellung eines Pkw der Mittelklasse vereinbart, tatsächlich aber ein Pkw einer höheren Klasse überlassen wurde.

2. Das Verfahren beim FG Münster

Unternehmer U ist Gesellschafter-Geschäftsführer der T-GmbH. Zwischen dem U (Organträger) und der T-GmbH (Organgesellschaft) bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft.
Die T-GmbH bestellte ein Fahrzeug, das sie durchgehend an den U (auch) zur privaten Nutzung überließ. U erklärte als unentgeltliche Wertabgabe monatlich 1 % von 91.770 EUR sowie zusätzlich 0,03 % von 91.770 EUR pro km für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH gelangte das FA zu der Auffassung, dass der Bruttolistenpreis des BMW zu gering angesetzt worden sei. Nach dem Kalkulationsprogramm der Deutschen Automobil-Treuhand (DAT) betrage er 92.900 EUR (statt 91.770 EUR). Das FA vertrat zudem die Meinung, dass ein 20 %iger Abschlag im Streitfall nicht durchzuführen sei, da es sich um eine Pkw-Überlassung an einen Arbeitnehmer handele und daher ein tauschähnlicher Umsatz vorliege.

Beachten Sie: Im vorgenannten Sachverhalt liegt ein Mischfall vor:

  • Zum einen wird dem U der Pkw als angestellter Geschäftsführer der GmbH überlassen,
  • zum anderen nutzt er den Pkw als Organträger im Rahmen der Organschaft als Unternehmer nichtunternehmerisch.

Wie im Abschnitt 1 dargestellt, führt dies zum Teil zu erheblich unterschiedlichen Umsatzbesteuerungen.
Nach der Entscheidung des FG Münster ist die Kfz-Gestellung an den Geschäftsführer für Privatfahrten in den Fällen der umsatzsteuerlichen Organschaft als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu beurteilen. Denn im Verhältnis zwischen der GmbH und dem U liegt ein organschaftsinterner Leistungsaustausch vor, der wie ein rein innerbetrieblicher Vorgang behandelt wird und nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
Das FG ist in einem ober dictum zudem der Auffassung, dass der Bruttolistenpreis nach der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) maßgeblich ist. Rabatte, die wegen der Wahl mehrerer Ausstattungspakete gewährt werden, müssen unberücksichtigt bleiben. Hierfür spricht, dass die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenpreises nicht bezweckt, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden.

Merke: Im Sinne dieses Urteils hat m. E. bereits der BFH entschieden. Danach stellen die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eines Gesellschafter-Geschäftsführers in den Fällen einer umsatzsteuerlichen Organschaft keine unentgeltliche Wertabgabe dar, da die Fahrten nicht privat, sondern unternehmerisch veranlasst sind (BFH 5.6.14, XI R 36/12). Der BFH hatte sich in diesem Verfahren aber nicht zu den eigentlichen Privatfahrten zu äußern.
Ertragsteuerlich bleibt es hingegen stets bei Arbeitslohn des Gesellschafter-Geschäftsführers (BFH 9.6.11, VI R 55/10).

IWW-Institut, Würzburg (20.07.2020)