Einkommensteuer

Wenn das Arbeitszimmer eines Freiberuflers zur Steuerfalle wird

| Viele Freiberufler fragen sich, ob für sie ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich abzugsfähig ist. Und falls ja, welche Steuervorteile konkret erzielt werden können. Durch die Auswirkungen der Corona-Krise hat sich das Interesse an dem Thema noch verstärkt. Denn in den Medien wird ein häusliches Arbeitszimmer allgemein mit einer Steuerersparnis verbunden. Doch Vorsicht: Gerade bei Freiberuflern und anderen Unternehmern kann ein häusliches Arbeitszimmer zur Steuerfalle werden! Der Beitrag informiert, welche Risiken drohen und wie diese umgangen werden können. |

1. Grundregelung zum häuslichen Arbeitszimmer

Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein in der Privatwohnung gelegener Raum, welcher von der übrigen Wohnung abgetrennt ist (z. B. durch eine Tür).
Wird das häusliche Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit genutzt (z. B. Büroarbeiten, Ausarbeitung von Vorträgen), sind die entstandenen Aufwendungen betrieblich veranlasst. Das Finanzamt erkennt im Grundsatz nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG dennoch einen Betriebsausgabenabzug der Aufwendungen nicht an.
Hiervon gibt es allerdings zwei Ausnahmen:

  • Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nebst Ausstattung können doch in voller Höhe als Betriebsausgabe abgesetzt werden, wenn sich der Mittelpunkt der beruflichen und betrieblichen Tätigkeit in dem Arbeitszimmer befindet. Dies ist allerdings eine absolute Ausnahme. Regelmäßig wird der Mittelpunkt der Tätigkeit an einem anderen Ort liegen. Bei einem Arzt ist dieser Mittelpunkt beispielsweise in der Arztpraxis.
  • Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nebst Ausstattung können gedeckelt bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 EUR jährlich als Betriebsausgabe geltend gemacht werden, wenn das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bildet, jedoch kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (z. B. kein Büro im Betrieb).

Konkrete Beispiele, Sonderfälle und Beschreibung der einzelnen Abzugsvoraussetzungen wurden vom BMF mit Schreiben vom 2.3.11, IV C 6 – S 2145/07/10002 veröffentlicht.
Beim Personenkreis zur Nummer 1 führt das häusliche Arbeitszimmer nahezu immer zu einer Steuerersparnis. Soweit ein Fall der Nummer 2 gegeben ist, kann das Arbeitszimmer schnell zur Steuerfalle werden. Das folgende Beispiel zeigt, welche gravierenden Folgen bei einem nur beschränkt auf 1.250 EUR abzugsfähigen Arbeitszimmer drohen:

  • Beispiel
    Der freiberufliche Arzt Pech (P) erwarb zum 1.1.01 ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 180 qm. Enthalten ist ein 27 qm (15 %) großes häusliches Arbeitszimmer, welches P mangels Büro in der Arztpraxis für Büroarbeiten nutzt und dem Betriebsvermögen zuordnen muss (R 4.2 Abs. 7 EStR). Die Anschaffungskosten des gesamten Gebäudes belaufen sich auf 450.000 EUR. Entsprechend sind für das Arbeitszimmer 67.500 EUR anzusetzen. Die jährliche Gebäudeabschreibung des betrieblich genutzten Teils beträgt 2.025 EUR (3 % von 67.500 EUR – § 7 Abs. 5a i. V. m. § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG). Die anteiligen übrigen laufenden Gebäudekosten wie z. B. Strom, Gas, Versicherungen usw. betragen jährlich 1.200 EUR.

Weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit darstellt, können von den jährlichen Gesamtkosten i. H. v. 3.225 EUR nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG nur 1.250 EUR steuermindernd angesetzt werden. Dies bewirkt bei einem Steuersatz von 40 % eine jährliche Ersparnis von 500 EUR.

2. Späterer Verkauf des Hauses

Entwickeln wir das Beispiel fort bis zum 31.12.20. Bis dahin sind 20 Jahre vergangen. Insgesamt wurde durch das Arbeitszimmer ein Steuervorteil von 10.000 EUR erzielt (20 Jahre × 500 EUR). Nun soll das Haus veräußert werden. Dabei wird ein Erlös in Höhe der ursprünglichen Anschaffungskosten von 450.000 EUR erzielt.

2.1 Die steuerlichen Folgen der Veräußerung

Es werden automatisch zwei Steuerfolgen verwirklicht:
1. Die Veräußerung des privaten Gebäudeteils (85 %) ist nicht steuerbar. Das Objekt diente insoweit ausschließlich privaten Wohnzwecken, § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Außerdem wurde die zehnjährige Spekulationsfrist überschritten, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.
2. Der Besteuerung unterliegt allerdings die Veräußerung des betrieblichen Gebäudeteils (15 %). Es liegt eine Veräußerung von Betriebsvermögen vor. Der Gewinn unterliegt der Einkommensteuer im Rahmen der Gewinneinkünfte und errechnet sich folgendermaßen:

  • Ermittlung des Gewinns aus dem Verkauf des Arbeitszimmers
 Anteiliger Veräußerungserlös (450.000 × 15 %)67.500 EUR
./.Anteilige Veräußerungskosten0 EUR
./.Restbuchwert– 27.000 EUR
=Gewinn40.500 EUR

Der Restbuchwert von 27.000 EUR resultiert dabei aus den originären Anschaffungskosten i. H. v. 67.500 EUR abzüglich der jährlichen Gebäudeabschreibung i. H. v. 2.025 EUR (für 20 Jahre 40.500 EUR).

Zwischenfazit: Obwohl das Objekt keine Wertsteigerung erfahren hat, wurde aufgrund der jährlichen Gebäudeabschreibung von 2.025 EUR ein Gewinn i. H. v. 40.500 EUR erzielt. Beim Steuersatz von 40 % beträgt die Steuerlast 16.200 EUR. Damit müssen nicht nur auf einen Schlag sämtliche Steuervorteile der vergangenen 20 Jahre (10.000 EUR) zurückgezahlt werden, sondern es verbleibt eine tatsächliche Mehrbelastung von 6.200 EUR (16.200 EUR ./. 10.000 EUR). Eine tatsächliche Steuerfalle ist eingetreten.

2.2 Ursache: Ungleiche Behandlung der Arbeitszimmer-AfA

Im Beispiel wird die Problematik und Steuerfalle bei beschränkt abzugsfähigen häuslichen Arbeitszimmern des Betriebsvermögens deutlich. Denn die jährlichen laufenden Kosten werden auf einen Höchstbetrag von 1.250 EUR gedeckelt. Bei Veräußerung oder Entnahme wird dagegen auf den Restbuchwert abgestellt. Dieser Restbuchwert entspricht den Anschaffungskosten abzüglich der regulären Abschreibung. Es wird dabei nicht berücksichtigt, dass ein Teil der Abschreibungen sich aufgrund der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG steuerlich nicht ausgewirkt hat.
Konkret stellt das Beispiel auf eine jährliche Abschreibung von 2.025 EUR ab. Von dieser haben sich nur 785 EUR steuerlich ausgewirkt (2.025 EUR Abschreibung von 3.225 EUR Gesamtkosten entspricht 62,8 % und 62,8 % von 1.250 EUR Höchstbetrag sind 785 EUR). Für jedes Jahr sind damit auch ohne Wertsteigerung der Immobilie die Differenz zwischen der Abschreibung laut Buchführung (2.025 EUR) und der tatsächlich abzugsfähigen anteiligen Abschreibung (785 EUR) als zusätzlicher Gewinn bei Veräußerung oder Entnahme der Immobilie zu versteuern. Dieses Vorgehen der Finanzverwaltung wird auch vom BFH gedeckt (z. B. BFH 25.3.15, X R 14/12).

3. Vermeidungsstrategien zur Umgehung der Steuerfalle

Es gibt drei Strategien um das Problem in den Griff zu bekommen.

3.1 Strategie 1 – Bagatellklausel des § 8 EStDV

Das Arbeitszimmer sollte möglichst kein Betriebsvermögen darstellen. Dies könnte über § 8 EStDV gelingen. Danach brauchen eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile nicht als Betriebsvermögen behandelt werden, wenn ihr Wert nicht mehr als 1/5 des gemeinen Werts des gesamten Grundstücks und nicht mehr als 20.500 EUR beträgt (sog. Grundstücksteile von untergeordnetem Wert). Abgestellt für die 20.500 EUR wird auf den anteiligen Gebäudewert zuzüglich anteiligem Grund- und Bodenwert. Soweit diese Grenzen eingehalten werden, besteht ein Wahlrecht, das Arbeitszimmer als gewillkürtes Betriebsvermögen oder als steuerlich begünstigtes Privatvermögen zu behandeln, R 4.2 Abs. 8 EStR.

Praxistipp: Betriebsausgaben gehen bei Behandlung als Privatvermögen nicht verloren. Denn die Gebäudeaufwendungen inklusive AfA können über eine Nutzungseinlage nach R 4.7 Abs. 2 S. 4 EStR geltend gemacht werden (so auch BFH 23.9.09, IV R 21/08). Der konkrete Steuervorteil: Bei Behandlung als Privatvermögen erfolgt bei Verkauf oder Entnahme nicht automatisch eine Besteuerung. Diese findet vielmehr nur statt, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG (privates Veräußerungsgeschäft) vorliegen. Doch selbst wenn diese Vorschrift Anwendung finden sollte, erfolgt lediglich eine Versteuerung des Veräußerungserlöses abzüglich der ursprünglichen Anschaffungskosten.
Die geltend gemachten Abschreibungen bleiben aufgrund einer Verwaltungsvereinfachung für beschränkt abzugsfähige Arbeitszimmer unberücksichtigt (BMF 5.10.00, IV C 3 – S 2256-263/00). Bezogen auf den Beispielsfall wäre danach ein Veräußerungsgewinn i. H. v. 0 EUR zu versteuern (anteiliger Veräußerungserlös von 67.500 EUR abzüglich anteiliger Anschaffungskosten von 67.500 EUR).

Durch stetig steigende Grundstücks- und Immobilienpreise besteht die Gefahr, im Laufe der Jahre die absolute Wertgrenze des § 8 EStDV von 20.500 EUR zu überschreiten (mögliche Überprüfung im Rahmen einer Betriebsprüfung). Ist dies der Fall, ist ab dem Zeitpunkt der Überschreitung eine Einlage in das Betriebsvermögen erforderlich. Ist diese erfolgt, ergibt sich die aufgezeigte Steuerfalle.

3.2 Strategie 2 – Rücklage nach § 6c i. V. m. § 6b EStG bilden

Ist eine Lösung über § 8 EStDV nicht möglich (weil z. B. die Größenmerkmale überschritten wurden), so besteht zumindest die Möglichkeit, die Versteuerung zeitlich hinauszuschieben. Möglich ist dies durch Bildung und Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG. So brauchen die Gewinne im Idealfall erst im Jahr der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung versteuert werden. Gepaart mit den dort geltenden Besonderheiten (Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und begünstigter Steuersatz nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG) lässt sich die tatsächliche Steuerbelastung oft reduzieren.

Praxistipp: § 6b EStG gilt im Grundsatz nur für bilanzierende Unternehmer. Damit wäre für P als Arzt eine Anwendung dieser Strategie eigentlich ausgeschlossen. Doch über § 6c EStG können auch Unternehmer mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahme-Überschussrechnung) von den steuerlichen Vorteilen des § 6b EStG profitieren.

3.3 Strategie 3 – Auf Musterprozess beim BFH hoffen

Als letzten Ausweg sollte auf einen positiven Ausgang eines beim BFH geführten Musterprozesses gehofft werden. Zwar teilt das FG Hessen (1.2.17, 12 K 1282/15) die Auffassung des Zehnten Senats des BFH (25.3.15, X R 14/12), wonach bei Berechnung des Gewinns auf den Buchwert und nicht auf die Anschaffungskosten, gemindert um die tatsächlich geltend gemachten Abschreibungen abzustellen ist.
Dieses Verfahren wird allerdings im Rahmen der Revision beim Achten Senat des BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 15/17 fortgeführt. Der Vierte Senat (28.8.03, IV R 38/01) hat bereits dargelegt, dass er in derartigen Fällen eine Verletzung des Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sieht. Er regte damals an, den Gewinnrealisierungstatbestand in entsprechenden Fällen anzupassen. Abzuwarten bleibt nun, wie sich der Achte Senat zu entsprechender Rechtsfrage positioniert.
Da eine Entscheidung noch aussteht, wird empfohlen, vergleichbare Fälle mittels Einspruchs anzufechten und unter Verweis auf das anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens zu beantragen, § 363 Abs. 3 AO.

Fazit: Deutlich erkennbar ist das hohe Risiko, welches ein beschränkt abzugsfähiges häusliches Arbeitszimmer mit sich bringt. Je höher die anteilige Gebäudeabschreibung ausfällt, umso höher ist letztlich der zu versteuernde Gewinn.
Ungeachtet dessen, dass sich die Gebäudeabschreibung aufgrund der Abzugsbeschränkung nur teilweise ausgewirkt hat. Mit Spannung bleibt daher abzuwarten, wie der BFH im Verfahren VIII R 15/17 entscheiden wird. Um der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerecht zu werden, wäre einzig sachgerecht, wenn vom Veräußerungserlös die Anschaffungskosten, gemindert um die tatsächlich gewinnmindernd berücksichtigten Abschreibungen, in Abzug zu bringen wären. Solange jedoch keine höchstrichterliche Klärung erfolgt ist, sollte diese in der Praxis häufig auftretende (potenzielle) Steuerfalle bewusst wahrgenommen werden. Im Vorfeld sollte daher genaustens überlegt werden, ob ein beschränkt abzugsfähiges häusliches Arbeitszimmer wirklich die gewünschte Steuerersparnis bringt. Denn über kurz oder lang wird bei jedem Einzelunternehmer das Arbeitszimmer entweder veräußert, oder bei Betriebsaufgabe ins Privatvermögen überführt.

IWW-Institut, Würzburg (24.07.2020)