Aktuelle Rechtsprechung

„Update“ zur doppelten Haushaltsführung

Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung entstehen, gehören zu den Klassikern in der Beratungspraxis. Gesetzverschärfungen und die jüngere Rechtsprechung der Finanzgerichte geben Anlass, die aktuelle Rechtsentwicklung nochmals zu vertiefen.

1. Abziehbarkeit von Mietkosten nach Beendigung einer DHH

Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – und damit der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung – sind die Mietzahlungen für die beibehaltene Zweitwohnung am ehemaligen Beschäftigungsort noch als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar, wenn dort eine neue Beschäftigung gesucht wird (FG Münster 12.6.19, 7 K 57/18 E, rkr.). Das soll zumindest für einen kurzen Zeitraum gelten.

Praxistipp | Für die Zeit bis zum frühestmöglichen Beendigungszeitpunkt des Mietvertrags nach der Kündigung des Arbeitsvertrags dürfte eine berufliche Veranlassung der Mietkosten unzweifelhaft bestehen. Hat der Arbeitnehmer die Zweitwohnung nicht sogleich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekündigt, dürfte es aber zu Streitigkeiten mit den FÄ kommen, soweit die Wohnung auch noch darüber hinaus – etwa bis zum Erhalt einer neuen Beschäftigung – beibehalten wird. In diesen Fällen sollte den Mandanten empfohlen werden, die beabsichtigte Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses am bisherigen Beschäftigungsort möglichst genau zu dokumentieren und Belege (insbes. Bewerbungsschreiben, Absagen) aufzubewahren. Steht fest, dass dort keine neue Beschäftigung aufgenommen wird, sollte die Wohnung umgehend gekündigt werden, damit eine private Veranlassung ausgeschlossen werden kann (ähnlich Anm. Kister EFG 19, 1278).

2. Einrichtungsgegenstände weiter voll abziehbar

Bei einer doppelten Haushaltsführung sind Unterkunftskosten seit 2014 nur noch bis maximal 1.000 EUR im Monat als Werbungskosten abziehbar. Zu diesen Unterkunftskosten zählte das BMF (24.10.14, IV C 5 - S 2353/14/10002, Rz. 104) bis dato auch die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat. Dieser profiskalischen Sichtweise hat der BFH (4.4.19, VI R 18/17) aber eine klare Absage erteilt.

Beachten Sie | Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände ist nämlich – so der BFH – nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen. Es handelt sich vielmehr um sonstige Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung, die unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar sind.

Praxistipp | Ungeklärt bleibt, wie Aufwendungen für Reinigung und Pflege der Wohnung, Zweitwohnungsteuer sowie der Rundfunkbeitrag einzuordnen sind. Die Finanzverwaltung (BMF 24.10.14, a. a. O., Rn. 104) sieht auch diese Aufwendungen als Teil der nur begrenzt abziehbaren Unterkunftskosten an. Hat der Arbeitnehmer eine möblierte oder teilmöblierte Wohnung angemietet, ist – soweit der Mietvertrag keine Aufteilung der Miete für die Überlassung der Wohnung und der Möbelstücke enthält – die Miete im Schätzwege aufzuteilen.

3. Keine doppelte Haushaltsführung bei zumutbarem Weg von der Hauptwohnung zur Arbeitsstelle

Nach neuer Rechtsprechung des BFH liegt eine doppelte Haushaltsführung nicht vor, wenn die Hauptwohnung, d. h. der „eigene Hausstand“ i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist. Eine solche Konstellation soll gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsstätte von der Hauptwohnung in zumutbarer Weise täglich erreichen kann (BFH 16.1.18, VI R 2/16, BFH/NV 18, 712). Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist nach Auffassung des BFH ein wesentliches, allerdings kein allein entscheidungserhebliches Merkmal. Und eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimme das EStG nicht.

Praxistipp | Die Finanzverwaltung geht bislang aus Vereinfachungsgründen von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte aus, wenn der Weg von der Zweitunterkunft zur ersten Tätigkeitsstätte (nicht die „Reisezeit“) weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt. Befinden sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Ortes, zieht sie für die Frage der beruflichen Veranlassung ebenfalls diese Vereinfachungsregelung (Entfernung Zweitwohnung / erste Tätigkeitsstätte im Vergleich zur Entfernung Hauptwohnung / erste Tätigkeitsstätte) heran (BMF 24.10.10, IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl I 14, 1412 Rz. 101).

4. Vorfälligkeitsentschädigung für Verkauf der Zweitwohnung

Wird die Wohnung am Beschäftigungsort anlässlich der Beendigung einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung veräußert, fallen in der Praxis ggf. Aufwendungen für die vorzeitige Kreditablösung an. Der BFH stuft diese Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein. Sie sind vielmehr das Ergebnis der auf eine vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des ursprünglichen Darlehensvertrags und damit dem Veräußerungsgeschäft zuzuordnen (BFH 3.4.19, VI R 15/17, BStBl II 19, 446).

Praxistipp | Fällt die Vorfälligkeitsentschädigung jedoch im Rahmen einer Umschuldung an und wird der steuererhebliche doppelte Haushalt fortgeführt, ist ein Abzug der Aufwendungen im Rahmen der Höchstbeträge von monatlich 1.000 EUR denkbar (so Geserich, jurisPR-SteuerR 28/2019, Anm. 2 unter Hinweis auf BFH 6.12.05, VIII R 34/04, BStBl II 06, 265).

5. Kürzung der Verpflegungspauschalen

Nach dem mit Wirkung zum VZ 2014 neu gefassten § 9 Abs. 4a S. 8 EStG sind die nach S. 3 und 5 ermittelten Verpflegungspauschalen zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird. Dies gilt nach S. 12 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen im Rahmen doppelter Haushaltsführung. Höchstrichterlich wird derzeit geklärt, ob diese Kürzung unabhängig davon vorzunehmen ist, ob der Steuerpflichtige die gestellten Mahlzeiten tatsächlich eingenommen hat.

Die bisher mit dieser Problematik befassten FG gehen davon aus, dass es grundsätzlich unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer Mahlzeiten, die ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, stets annimmt oder sich an einzelnen Tagen selbst versorgt (zuletzt FG Niedersachsen 2.7.19, 15 K 266/16, EFG 19, 1537; Rev. BFH: VI R 27/19).

Praxistipp | Sofern der BFH die FG-Entscheidungen bestätigt, könnte man in der Praxis erwägen, eine Besteuerung durch eine individuelle Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu verhindern, nach der – abweichend von der allgemeinen Übung – dem Arbeitnehmer keine/nur bestimmte Mahlzeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Insoweit dürfte der Grundsatz gelten, dass (auch bei fehlender Überwachung) von der Einhaltung eines vertraglichen Verbots trotz faktischer Nutzungsmöglichkeit/Teilnahmemöglichkeit auszugehen ist (so Anm. Wackersbeck EFG 18, 1533). Die Situation wäre hier vergleichbar mit der eines privaten Nutzungsverbots bei einem PKW (BFH 6.10.11, VI R 64/19, BFH/NV 12, 408). Ungeachtet dessen sollte bis zur höchstrichterlichen Klärung der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen weiterhin geltend gemacht und bei zu erwartendem Widerstand der Finanzämter Einspruch eingelegt werden.

6. Doppelte Haushaltsführung mit der ganzen Familie

Derzeit wird höchstrichterlich geklärt, ob bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang die Bildungseinrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 S. 8 EStG wird. Dies hätte zur Folge, dass Kosten für Unterkunft sowie Mehraufwendungen für Verpflegung nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Das FG Nürnberg hatte eine befristete Lehrgangsdauer von gut drei Monaten als unerheblich angesehen und eine erste Tätigkeitsstätte angenommen (FG Nürnberg 9.5.18, 5 K 167/17, Rev. BFH: VI R 24/18, betr. in Vollzeit absolviertem Schweißtechnikerlehrgang bei einer Lehr- und Versuchsanstalt). Der Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 4 S. 8 EStG spreche nicht von einer Zuordnung für einen bestimmten Zeitraum, sondern vom tatsächlichen „Aufsuchen“.

Geklärt wird derzeit auch, ob eine Universität nicht nur im Fall eines vollständigen Auslandsstudiums, sondern auch im Fall eines Auslandssemesters als erste Tätigkeitsstätte des Studenten anzusehen ist (FG Münster 24.1.18, 7 K 1007/17 E,F, Rev. BFH: VI R 3/18).

Praxistipp | Der steuerliche Berater sollte beachten, dass § 9 Abs. 4 S. 2 EStG eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG vorgibt. Das bedeutet, dass – im Gegensatz zur bis VZ 2013 geltenden Rechtslage! – eine Berücksichtigung der Unterkunfts- und Verpflegungskosten von Teilnehmern an Bildungsmaßnahmen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung denkbar ist (vgl. Bergkemper in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Anm. 562). Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes der Bildungseinrichtung über einen eigenen Hausstand verfügt. Dies kann insbesondere in den Fällen problematisch sein, in denen der Steuerpflichtige neben der Zweitwohnung am Ort der Bildungseinrichtung lediglich ein Zimmer oder eine Wohnung im Hause seiner Eltern bewohnt (vgl. hierzu BFH 1.3.17, VI B 74/16, BFH/NV 17, 903).

8. Fazit

Der Überblick macht deutlich, dass die Rechtsprechung im Bereich der doppelten Haushaltsführung zwar bereits einige Streitfragen zur Neufassung der § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG geklärt hat. Bei vielen Fragen besteht aber nach wie vor Unsicherheit – etwa bei der Auslegung der in § 9 Abs. 1 S. Nr. 5 S. 2 und 3 EStG neu eingefügten Tatbestandsmerkmale zur Konkretisierung des Begriffs des eigenen (Haupt-)Hausstandes (Innehaben einer Wohnung; Finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung). Diese Gesetzesänderungen sollen der Anerkennung der doppelten Haushaltsführung bei Mehrgenerationenhaushalten entgegenwirken (hierzu BMF 24.10.10, IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl I 14, 1412 Rz. 100). Die weitere Rechtsentwicklung im Bereich der doppelten Haushaltsführung sollte man daher sorgfältig im Auge behalten.

IWW-Institut, Würzburg